Landschafts-Geister - Fotografisch (Irr-)Relevantes #2
So mancher wird das heuer so gar nicht richtig mitbekommen haben. In den letzten Jahren hat es ja nur Kalender in Schwarz/Weiss von mir gegeben. Für das in wenigen Tagen beginnende Jahr 2023 gibt es aber auch einen Kalender in Farbe.
Als ich vor gut 16 Jahren zum ersten mal mit dem ewigen Eis der Gletscher fotografisch in Berührung gekommen war, stand mir ganz ehrlich gesagt der Mund ganz weit offen. An die Worte meines mittlerweile verstorbenen Onkels kann ich mich hinterher auch noch gut erinnern. Er meinte ich solle mir das ja nur gut ansehen, denn das was ich da vor 16 Jahren gesehen hatte, wird es nicht lange geben.
Recht hatte er, absolut recht. Sämtliches Eis auf den Bildern, die ich für den Gletscher - 2023 Kalender ausgewählt habe, ist eigentlich immer im Jahr darauf schon nicht mehr da gewesen. Heute ist die Klima-Erwärmung in den meisten Köpfen mehr als präsent. vor 16 Jahren war es eigentlich nicht weniger aktuell als heute, zumindest in der Wissenschaft.
Die meisten von uns, inklusive mir haben das wahrscheinlich mehr oder weniger ignoriert. Das Jahr 2022 brachte uns den Klima-Wandel aber sehr ins Bewusstsein. War es doch ein Jahr mit Wetter-Extremen am laufenden Band.
Die Aufnahmen die im Kalender zu sehen sind, wurden in den Jahren 2006, 2007, 2008, 2009, 2013 und 2015 aufgenommen. Die Motive sind mittlerweile längst verschwundene, geschmolzene Landschafts-Geister und im wahrsten Sinne des Worten den (Gletscher)Bach runter.
In den Jahren in denen ich regelmässig diese Landschaft besuchte ist mir langsam aber sicher die Erderwärmung sehr anschaulich näher gebracht worden. Das was ich im Vorjahr fotografiert hatte, war in der Regel im Jahr darauf vollkommen verschwunden, also weggeschmolzen oder hatte sich so sehr verändert, dass man es fast nicht mehr wiedererkannte.
Niemals hätte ich in den ersten Jahren dort daran gedacht, dass ich Aufnahmen machen würde die in weniger als zwanzig Jahren danach schon Landschaftsformen zeigen, die über Generationen hinweg nicht mehr wiederkommen werden.
Obwohl der Klimawandel natürlich vom Menschen seit dem 19. Jahrhundert angeheizt und befeuert worden ist und wir noch einige Jahrzehnte weiter am Klima zündeln werden, so sollte man auch folgendes im Kopf haben.
Wir leben in einem Universum, dessen Grundprinzip meiner Meinung die Veränderung ist. Nichts ist im Augenblick danach, so wie es im Augenblick davor war. Im Bezug auf die Gletscherlandschaft vor 10.000 Jahren, 1000 Jahren oder einfach nur 150 Jahren ist für uns heute lebenden Menschen auch alles unwiederbringlich verloren. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die Natur auf lange Sicht in ihrer Vielfalt an die klimatischen Veränderungen der nächsten Jahrhunderte anpassen wird.
Ein Blick in die Erdgeschichte zeigt das Auf- und Ab der Lebensformen und des Klimas.
Einzig die vermeintlich intelligenteste Spezies auf diesem Planenten hat ein Problem mit diesen Veränderungen. Da die Dinge in den Köpfen der meisten Menschen immer so bleiben müssen, wie sie gerade sind, haben wir gute Chancen uns als Spezies an die Wand zu fahren.Meiner Meinung nach gilt es den Wandel anzunehmen und sich anzupassen. Soweit flexibel darauf zu regieren, dass wir auch auf lange Sicht eine Zukunft für uns Menschen haben.
Doch zurück zum Kalender, bevor ich mit meinen Gedanken vollkommen entgleise.
Vom Kalender Gletscher 2023 gibt es noch ein paar Stück.
Wer sich also gerne die Vergänglichkeit des ewigen Eises im nächsten Jahr Monat für Monat vor Augen halten möchte, der findet mit diesen Bildern eine Möglichkeit für sich.
1 Beitrag zum Thema "Landschafts-Geister - Fotografisch (Ir-)Relevantes #2"
Da passt du Meldung von heute leider nur allzu gut dazu. Im Jahr 2022 war der Gletscherschwund in Österreich 3 bis 4 mal stärker als in den vergangenen Jahren.
In Erdzeitgeschichtlicher Sicht wird das nur eine Episode von vielen sein. Es gab schon mal viel mehr aber auch viel weniger Gletscher (Grönland war auch einmal grün - daher auch der Name). Was aber noch nie da war, ist die Veränderungsgeschwindigkeit. Die Natur wird sich langfristig darauf einstellen, die Menschheit wird das aber nicht schaffen. Der Homo Sapiens wird, wenn nicht bald etwas sinnvolles passiert, die erste Tierart sein, die sich selbst ausrottet oder zumindest stark dezimiert. Bis es soweit ist, wird es wohl nicht nur wegen immer häufigerer und extremerer Wetterereignisse sondern auch auch wegen der sich daraus entstehenden Konsequenzen (Hunger, Wassermangel und in Folge wie Migration, soziale Unruhen und Krieg um lebenswichtige Ressourcen) "ungemütlich" werden.
Wolfgang, 31.12.2022