2024 - 2015 / wiener zentralfriedhof
Die Wiener und der Tod – das ist eine alte Geschichte. Eine von melancholischer Vertrautheit und einer Portion Schmäh, der selbst vor dem Sensenmann nicht haltmacht. Der Tod ist in Wien kein Fremder, eher ein eigenwilliger Mitbewohner, mit dem man sich arrangiert hat. Vielleicht liegt das an der Stadt selbst. Vielleicht liegt es an den Menschen. Ich bin jedenfalls einer von ihnen – gebürtig aus Wien.
Friedhöfe sind eigene Welten. Der Wiener Zentralfriedhof ist eine ganze Galaxie davon. Mehr als drei Millionen Menschen liegen hier begraben – mehr, als Wien heute Einwohner hat. Ein Ort der Endgültigkeit, in dem nichts endgültig wirkt.
Dass ich dort einmal regelmäßig fotografieren würde, hätte ich als Jugendlicher nicht gedacht. Damals war der Friedhof ein Schauplatz für Mutproben – über die Mauer steigen, bei Nacht durch die Gräber schleichen. Heute würde ich das keinem empfehlen. Aber so ist das mit der Jugend: Sie versteht die Stille noch nicht.
Meine ersten fotografischen Streifzüge bei Tageslicht begannen vor gut zehn Jahren. Besonders der alte jüdische Friedhof hat es mir angetan. Wer dort zwischen den Grabreihen geht, bewegt sich durch vergangene Jahrhunderte – durch vergilbte Namen, längst verstummte Berufe, berührende Inschriften, familiäre Bindungen, von denen niemand mehr spricht, die aber noch lesbar sind. Ein Ort wie eine Zeitreise, ohne dass sich die Uhren bewegen.
Manche Gräber haben längst ihre eigenen Bäume. Die Wurzeln brechen durch die Steine, als wollten sie das Verschwundene wieder heraufholen. Und vielleicht tun sie das auch. Denn nichts geht je verloren, sagt die Physik. Und der Friedhof bestätigt das mit jedem Blatt, das aus dem Totenreich wächst.
Warum ich dort fotografiere? Ich weiß es nicht genau. Vielleicht, weil es ein Ort ist, der geblieben ist, während so vieles sich verändert. Vielleicht, weil der Zentralfriedhof mir über die Jahre vertraut geworden ist – und ich Orte wie diesen brauche, um zu sehen, was bleibt.
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Es klingt vielleicht in einigen Ohren lächerlich - aber in der Tat ist es wirklich so - jeder noch so kleine Betrag zählt…